Katholische Frauen aus Adel und Bürgertum ergriffen Ende des letzten Jahrhunderts in sozialer Verantwortung Partei für Mädchen und junge Frauen der unterprivilegierten Schichten. Sie erkannten die Situation alleinreisender, arbeitsuchender Mädchen nicht nur als eine persönliche, sondern als gesellschaftlich bedingte Notlage. Sie suchten nach Wegen und Organisationsformen der individuellen Hilfe und Unterstützung, aber auch nach Möglichkeiten der gesellschaftlichen und politischen Einflussnahme. Entsprechend der weiträumigen Wanderungsbewegung wollten sie mit Hilfe der dazu bereiten katholischen Vereine, Ordensgemeinschaften und Pfarreien in Deutschland, Europa und möglichst auch in Übersee ein "weltumspannendes" Netz von Hilfs- und Schutzstellen errichten. Sie gründeten ab 1895 regionale und nationale Vereine, die sich bereits 1897 zu einem internationalen Verband zusammenschlossen.
Sie hatten zur Zeit der Jahrhundertwende schon weitgehend die Grundlagen entwickelt, auf denen die heutige Mädchensozialarbeit aufbaut:
- Beratungsstellen
- Stellenvermittlung
- Wohnheime
- Abholdienste und Bahnhofsmissionen
- Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen
- Hinführung zu Ausbildungsmaßnahmen
- Werbung und Öffentlichkeitsarbeit: Informationsblätter, Adressenverzeichnisse, Plakate, Pressearbeit und Vortragsreisen
- Eingaben in politische Gremien zur Einflussnahme auf die sozialpolitische Gesetzgebung
- Gremienarbeit und Informationsveranstaltungen in anderen Vereinen und in Pfarreien, im Sinne heutiger Multiplikatorenarbeit
- Wanderungs- und Berufshilfen, die sich zu den heutigen Migrationshilfen und Jugendberufshilfen entwickelten
- "Beheimatung in der Fremde" als Vorform heutiger Integrationsarbeit
- Abbau geschlechts- und schichtenspezifischer Bildungsbarrieren durch Ausbildung der Mädchen und deren beruflichen Einsatz in den caritativen Einrichtungen mit der Chance des Aufstiegs bis zur Ausbilderin.
Ehrenamtlich tätige Frauen trugen schon damals vor allem die unternehmerische Trägerverantwortung in den Vorständen und waren auch in der Leitung von Einrichtungen und in der Wahrnehmung praktischer Dienste tätig; es gab aber auch von Anfang an einzelne beruflich tätige Kräfte und eine bewusste Pflege der Professionalisierung aller Dienste von Frauen und Ordensfrauen.
Der "Marianische Mädchenschutzverein" war 1895 die erste überregionale katholische Organisation auf dem Gebiet der Frauenfürsorge - von Frauen selbständig geleitet und eigenverantwortlich organisiert - und die erste internationale Verbindung katholischer Frauen. Noch bevor sich eine katholische Frauenbewegung artikulierte, gehörte der Katholische Mädchenschutz zu den Bewegungen, die sie vorbereiteten.
Mit der Gründung des Katholischen Fürsorgevereins im Jahre 1900, dem späteren Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF), der vornehmlich Hilfen für Mädchen, Frauen und Kinder leistete, die bereits in Not geraten waren, erhielt der Katholische Mädchenschutzverein sein bis heute gültiges Profil als präventiv arbeitender Verband.
Die Gründerinnen des Marianischen Mädchenschutzvereins wählten "Maria vom Guten Rat" zur Verbandspatronin. Ihr Auftrag zu sozialem Engagement erwuchs aus ihrem Glauben. Sie waren erfüllt von einem laienapostolischen Sendungsbewusstsein im Sinne von Pater Cyprian Fröhlich O. Cap. Er wies "auf die notwendige Ergänzung der ordentlichen Seelsorge durch die außerordentliche" Seelsorge hin: "Nach dem heiligen Apostel Petrus gibt es neben dem eigentlichen Priestertum auch ein allgemeines Priestertum, an welchem jeder Christ, Mann oder Frau, nicht nur teilhaben darf, sondern muss." Aus diesem Bewusstsein heraus gestalteten die Gründerinnen ihre Arbeit. Nach ihrer Überzeugung vermittelten Glaube und Religion
- Persönlichkeitsfestigung
- Beheimatung - damals vor allem für ortsfremde Mädchen und Frauen
- Sinnerfüllung in der jeweils gestellten Aufgabe
- Wertschätzung eines jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Begabung
Luise Fogt, eine der Gründerinnen, sagte 1900 beim Internationalen Mädchenschutzkongress in Paris, "dass nicht äußere Hilfe das Grundanliegen des Mädchenschutzes sei, sondern die Hilfe zur rechten Lebensentscheidung und -gestaltung", also zur Selbsthilfe. Materielle Unterstützung werde nur dann gewährt, wenn sie das Mädchen zur Selbsthilfe führen könne und in ihm das Ehrgefühl und das Bewusstsein der Unabhängigkeit wahre. Mit dieser pädagogischen Sicht war sie ihrer Zeit weit voraus.