Freiburg, 02. November 2022. Die heute veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zum laufenden Ausbildungsjahr sind ernüchternd: Rund 22.700 Jugendliche gingen bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz leer aus. Gleichzeitig bleiben 68.900 Ausbildungsstellen unbesetzt. Die Ursachen für diese Situation sind vielschichtig. Die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigte Ausbildungsgarantie biete jetzt die Chance umzusteuern, wenn alle zuständigen Politikbereiche an einem Strang ziehen.
"Um gesellschaftliche Teilhabe und eine Ausbildung für alle jungen Menschen zu ermöglichen, setzt IN VIA Deutschland sich dafür ein, dass junge Menschen eine verlässliche Förderung auf dem Weg von der Schule in den Beruf erhalten. Denn die Zahl der jungen Menschen ohne Berufsabschluss steigt weiter an - und dieses, obwohl viele Betriebe Auszubildende suchen", so Professorin Katrin Keller, Vorsitzende von IN VIA Deutschland. Laut Berufsbildungsbericht 2022 sind inzwischen 2,33 Millionen Männer und Frauen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Ausbildung, das sind 15,5 Prozent eines Jahrgangs.
Unzureichende Berufsorientierung, fehlende Passung zwischen Angebot und Nachfrage bei den Ausbildungsberufen und steigende Anforderungen in den Betrieben sind einige der Ursachen. Doch viele Jugendliche haben mit weitaus mehr Herausforderungen zu kämpfen: Sie müssen Selbstvertrauen (zurück)gewinnen, ihre Sprachkompetenzen stärken sowie psychische oder familiäre Probleme bewältigen. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben mehr Jugendliche denn je Zukunftsängste und -sorgen, und ihnen fehlt vielfach der Mut, berufliche Ziele zu verfolgen.
Daher müssen Angebote, die junge Menschen auf ihrem Weg in die Ausbildung begleiten und fördern, sich an deren Bedarfen orientieren, z.B. mit Coaching. Insbesondere die Jugendsozialarbeit, die junge Menschen individuell unterstützt, muss als Teil der Jugendhilfe konsequent einbezogen und gefördert werden. Denn sie ist in vielen Kommunen unterfinanziert. "Sozialpädagogisch ausgerichtete Beratungs- und Förderangebote am Übergang von der Schule in die Ausbildung sollten künftig im Sinne einer verlässlichen und wirksamen Infrastruktur ausgebaut werden - für alle jungen Menschen mit Unterstützungsbedarf", wünscht und fordert zugleich Katrin Keller.
Für die Umsetzung der geplanten Ausbildungsgarantie ist es erforderlich, bestehende Förderinstrumente zu schärfen und zu ergänzen. So muss eine kontinuierliche Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen ab der 7. Klasse an den Interessen und Fähigkeiten von jungen Menschen ansetzen und bei Bedarf sozialpädagogisch begleitet werden. Als Ergänzung zu bestehenden betrieblichen und schulischen Ausbildungsplätzen sind außerbetriebliche Ausbildungsplätze bereitzustellen.
Auch im Verlauf einer regulären Ausbildung sollten Auszubildende und Betriebe verlässliche Unterstützung erhalten können. Das von der Bundesagentur für Arbeit eingesetzte Instrument der assistierten Ausbildung "AsA flex" ist im Ansatz gut, muss aber dringend optimiert werden. Personeller und administrativer Rahmen sind so auszugestalten, dass eine flexible und echte individuelle Begleitung tatsächlich dauerhaft gelingen kann. Auch sollte das Angebot zielgruppengerecht kommuniziert werden, z.B. auf Social-Media-Kanälen.