Freiburg, 06. Februar 2024. IN VIA Deutschland nimmt den heutigen Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmlung (6.2.) zum Anlass, um das Bewusstsein für die lebenslangen Folgen dieser Praxis zu schärfen. Der katholische Frauensozialverband fordert: Geschlechtsspezifische Verfolgung muss in Asylverfahren endlich als Schutzgrund anerkannt und betroffenen Mädchen und Frauen Asyl gewährt werden!
Von Genitalverstümmelung betroffene Frauen haben oft ein Leben lang mit den daraus resultierenden körperlichen und psychischen Folgen zu kämpfen. Umso schwerer wiegt, wenn sie aus ihrem Herkunftsland geflohen sind, ihre Rechte im Asylverfahren aber nicht durchsetzen können. Betroffene Frauen berichten ihren Beraterinnen bei IN VIA immer wieder, welche Folgen diese Menschenrechte verletzende Praxis für sie hat und dass sie in Deutschland dennoch keinen Schutz erhalten.
"Aus der Praxis gehen immer wieder Rückmeldungen ein, dass Genitalverstümmelung in der Anhörung der Asylverfahren keine Berücksichtigung findet, häufig mit dem Argument es bestehe für die Frau in ihrem Herkunftsland keine Gefahr mehr. Jedoch sind de facto auch beschnittene Frauen weiterhin der Gefahr von Genitalbeschneidung ausgesetzt, zum Beispiel nach einer Geburt. Und Genitalverstümmelung ist in Deutschland ein geschlechtsspezifischer Schutzgrund", erklärt Regine Rosner von IN VIA Deutschland. Dieses Beispiel zeige, dass Entscheider*innen dringend für das Thema sensibilisiert werden müssen. In den Anhörungen müssen geschlechtsspezifische Asylgründe mit bedacht und mit hoher Sensibilität wahrgenommen und berücksichtigt werden.
Bei der Verstümmelung weiblicher Genitalien (Female genital mutilation/cutting kurz: FGM_C) handelt es sich um eine schwere Verletzung der Menschenrechte mit traumatisierender Körperverletzung. Viele Frauen leiden dauerhaft unter Einschränkungen im Alltag, Schmerzen beim Leben ihrer Sexualität und Komplikationen im Kontext von Schwangerschaft und Geburt. Zu den körperlichen Folgen kommen häufig posttraumatische Belastungsstörungen hinzu.
Im Völkerrecht gilt "geschlechtsspezifische Verfolgung" als Grund für die Anerkennung einer Flüchtlingseigenschaft. Dieses Recht ist auch für Deutschland bindend. Die Praxis zeigt, dass Betroffene nur dann eine Chance auf eine faire Asylverhandlung haben, wenn sie ihre Rechte kennen und wissen, welche Fakten sie für die Beweisaufnahme darstellen müssen. Denn: Basierend auf der Darstellung der betroffenen Frau wird nach der Anhörung die Entscheidung über den Asylantrag getroffen. Im Anerkennungsverfahren müssen die Gründe deshalb detailliert und überzeugend vorgebracht werden. Vor diesem Hintergrund verweist Regine Rosner auf die absolute Dringlichkeit, dass betroffenen Frauen für die Vorbereitung auf das Verfahren eine von der entscheidenden Behörde unabhängige Beratung zur Verfügung stehen muss.
Mit der auf europäischer Ebene geplanten Einführung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) besteht die Gefahr, dass in den Verfahren an den Grenzen die Standards bei der Prüfung der Schutzsuchenden stark abgesenkt werden. Zu befürchten ist, dass unter den bestehenden Umständen keine fairen Verfahren durchgeführt werden und Frauen, die sich schämen, ohne das Wissen um ihre Rechte und ohne Unterstützung ihr Leid nicht darstellen können. Deutschland muss sich an seine völkerrechtsverbindlichen Vorgaben halten und sicherstellen, dass jedes Asylgesuch auch auf die angeführten Gründe der Antragstellenden geprüft wird. Für die betroffenen Frauen bedeutet eine Abschiebung eine Fortsetzung ihres immensen Leids und ein Vorenthalt der von ihnen so sehr benötigten Hilfe.
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Kontakt: Regine Rosner, 0761-200 234 / regine.rosner@caritas.de